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Schlechter Einfluss – Soziale Medien

Bedroht Lebensmittelwerbung in Sozialen Medien die Gesundheit Jugendlicher?

Heutzutage finden Jugendliche ihre Vorbilder zunehmend auf TikTok, Instagram und Co.

Nicht nur in punkto Musik oder Kleidung geben Influencer*innen den Ton an. Auch der Einfluss auf die Ernährungsgewohnheiten ihrer Follower ist mittlerweile beachtlich und leider nicht selten bedenklich.

Die Reichweite von Social Media unter Jugendlichen ist enorm: Laut Jugend-Internet-Monitor 2022 nutzen 95 % der Jugendlichen in Österreich YouTube, 81 % der 11- bis 17-Jährigen sind auf Instagram aktiv und 70 % auf TikTok.1 Dabei sind Soziale Medien nicht einfach eine Technologie, sondern ein Lebensraum. Das nutzen auch Lebensmittelunternehmen zur Bewerbung ihrer Produkte.

An der MedUni Wien wurde kürzlich untersucht, inwieweit Jugendliche Lebensmittelwerbung in Sozialen Medien ausgesetzt sind. Auf deutschsprachigen TikTok-, Instagram- und YouTube-Kanälen werden Jugendliche der Studie zufolge stündlich mit Werbung für bis zu 18 Lebensmittel konfrontiert.Bedenklich ist, dass 77 % der beworbenen Produkte einen hohen Salz-, Fett- oder Zuckergehalt aufweisen. Laut WHO-Kriterien soll sich Werbung für solche Konsumgüter nicht an Kinder richten.4

Nutzer*innen als Werbeträger

In einer australischen Studie wurden TikTok-Kanäle großer Lebensmittelunternehmen untersucht. Werbung in Social Media kann laut dieser Studie in drei Gruppen unterteilt werden: Werbung, die von Unternehmen direkt im betriebseigenen Kanal gepostet wird; sogenannte Challenges, das sind Aktionen, bei denen Nutzer*innen mitmachen und selbst die Werbebotschaften verbreiten; und Werbung über die Kanäle von Influencer*innen. Die untersuchten Videos wurden im Durchschnitt 65.000-mal angeschaut. Bestimmte Challenges generierten bis zu 108 Mrd. Zugriffe.2

Influencer*innen-Werbung schwer zu erkennen

Studien belegen, dass Lebensmittelwerbung, die an Kinder und Jugendliche gerichtet ist, die Marken- und Produktpräferenzen sowie die Wünsche bzw. das Ernährungsverhalten beeinflussen. Die Ernährungsgewohnheiten können demnach etwa durch Fernsehwerbung sowohl positiv als auch negativ geprägt werden. Besonders schützenswert sind dabei kleinere Kinder, die Werbung oft nicht als solche wahrnehmen.3 Das Erkennen von Werbung ist im Zeitalter von Social Media aber auch für Jugendliche und sogar Erwachsene nicht einfach. Zwar müssen Influencer*innen Werbung kennzeichnen, wenn sie dafür Geld, kostenlose Testprodukte oder andere Gegenleistungen erhalten. Fehlt die Gegenleistung und handelt es sich beispielsweise um eine Gefälligkeit, gilt keine Kennzeichnungspflicht. Zudem mangelt es hinsichtlich Größe und Platzierung von Werbekennzeichnungen an eindeutigen Vorgaben. Folglich wird Werbung oft nicht sofort als solche erkannt bzw. ist unzureichend gekennzeichnet.

Verantwortung übernehmen

In Deutschland wird eine Regulierung derzeit heiß diskutiert. Die Forderungen reichen von absoluten Werbeverboten für Lebensmittel im Zeitraum von 6:00 bis 23:00 Uhr über Einschränkungen für Unter-14-Jährige bis hin zur verstärkten Förderung der Ernährungs- und Medienkompetenz.

Österreich setzt bisher vor allem auf Selbstregulierung. Es ist die Aufgabe des Österreichischen Werberats, Fehlentwicklungen bzw. Missbräuche in der Werbung zu korrigieren. Der Ethik-Kodex der österreichischen Werbewirtschaft enthält Verhaltensregeln für Werbetreibende. Auch die Verringerung von Werbung für fett-, salz- und zuckerhaltige Lebensmittel an Kinder ist hier festgeschrieben. Vielen Expert*innen sind diese Maßnahmen nicht weitreichend genug. Die Nationale Ernährungskommission (NEK), in der auch der VEÖ vertreten ist, hat Empfehlungen mit klaren Nährstoffprofilen zur Lenkung von Lebensmittelwerbung an Kinder erarbeitet.5 Unumstritten ist: Sowohl werbende Unternehmen als auch Influencer*innen haben eine große Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen. Die Vulnerabilität dieser Gruppe ist bei Lebensmittelwerbung in Sozialen Medien besonders zu berücksichtigen.

Quellen:

1 Jugend Internet Monitor – saferinternet.at (Zugriff: 22.11.2022).

2 Brooks R et al. Turning Users into ‘Unofficial Brand Ambassadors’: Marketing of Unhealthy Food and Non-alcoholic Beverages on TikTok. BMJ Global Health 2022;7: e009112.

3 Dreyer S, Lampert C, Schulze A. Kinder und Onlinewerbung. Erscheinungsformen von Werbung im Internet, ihre Wahrnehmung durch Kinder und ihre regulatorischer Kontext. Leipzig (Vistas), 2014. Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, Band 75. ISBN 978-3-89158-606-8.

4 Winzer E et al. Promotion of Food and Beverages by German-Speaking Influencers Popular with Adolescents on TikTok, YouTube and Instagram. Int J Environ Res Public Health. 2022 Sep 1;19 (17):10911. doi: 10.3390/ijerph191710911. PMID: 36078625; PMCID: PMC9518047.

5 Empfehlung der Nationalen Ernährungskommission Österreichisches Nährwertprofil zur Lenkung von Lebensmittelwerbung an Kinder in Audiovisuellen Medien. pdf-Dokument (Zugriff: 22.11.2022).

 

Quelle: VEÖ
Verband der Ernährungswissenschaften Österreichs (VEÖ):
Der Verband der Ernährungswissenschaften Österreichs (VEÖ) wurde 1991 gegründet. Er bietet eine Kontaktplattform am Sektor Ernährung für Fachleute, Organisationen, Unternehmen, aber auch der interessierten Öffentlichkeit. Wichtige Ziele des Verbands sind unter anderem die fachspezifische und berufsübergreifende Fortbildung und Weiterqualifizierung sowie eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Ernährung. Dadurch trägt der Verband auch maßgeblich zur Ernährungsaufklärung und somit Gesundheitsförderung der Bevölkerung bei.
Mag. Veronika Macek-Strokosch ist beim VEÖ ehrenamtlich als Leiterin des Arbeitskreises Öffentlichkeitsarbeit tätig.

Foto: natureaddict_Pixabay